Ein handlungsorientierter Therapieansatz für bedeutungsvolle Ziele im Alltag

Der CO-OP-Ansatz (Cognitive Orientation to daily Occupational Performance) ist ein wissenschaftlich fundiertes, klientenzentriertes Therapiekonzept, das Menschen dazu befähigt, selbstständig bedeutungsvolle Aktivitäten im Alltag zu bewältigen. Der Fokus liegt auf dem Erwerb von Fähigkeiten durch gezielte Strategien und das Prinzip der geleiteten Entdeckung, also der therapeutischen Begleitung durch gezielte Fragen, statt direkter Anleitung (Polatajko & Mandich, 2008).

Was macht CO-OP besonders?

Der CO-OP-Ansatz basiert auf einem Top-Down-Vorgehen, das bedeutet: Nicht einzelne Bewegungsabläufe oder isolierte Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt, sondern das konkrete Alltagsziel der Klient:innen. Gemeinsam mit Therapeut:in, Eltern oder Bezugspersonen werden diese Ziele definiert und in der Therapie alltagsnah bearbeitet.
Dabei lernen die Klient:innen die globale Problemlösestrategie „ZIEL – PLAN – TU – CHECK“:

  • Was ist mein Ziel?
  • Wie kann ich es erreichen?
  • Ich probiere es aus.
  • Habe ich mein Ziel erreicht?

Diese Strategie hilft dabei, Handlungskompetenz und Selbststeuerung zu verbessern und neue Lösungswege zu entwickeln.

Für wen ist CO-OP geeignet?

Der CO-OP-Ansatz wurde ursprünglich für Kinder mit umschriebenen Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen (UEMF) entwickelt, wird jedoch mittlerweile erfolgreich bei vielen weiteren Diagnosen und auch Erwachsenen eingesetzt:

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS/ADS)
  • Autismus-Spektrum-Störung
  • Zerebralparese
  • Nach Schlaganfall
  • Nach Schädel-/Hirn-Trauma mit exekutiven Dysfunktionen
  • Kognitive Einschränkungen
  • Geistige Behinderungen

Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen (Scammell et al., 2016; Polatajko & Mandich, 2004; Novak & Honan, 2019).

Wie funktioniert CO-OP konkret?

Der Ablauf umfasst mehrere aufeinander abgestimmte Schritte:

  1. Individuelle Zielsetzung:
    Gemeinsam mit den Klient:innen (bei Kindern auch mit Eltern oder Pädagog:innen) wird erarbeitet, welche konkrete Alltagssituation verbessert werden soll – z. B. Fahrradfahren lernen, sich selbstständig anziehen oder einen Ball fangen.
  2. Dynamische Performanzanalyse:
    Durch gezielte Beobachtung wird herausgefunden, an welchen Stellen die Handlung scheitert – z. B. beim Planen, der motorischen Umsetzung oder der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit.
  3. Strategieentwicklung:
    Gemeinsam mit dem/der Therapeut:in wird eine passende Strategie entwickelt und erprobt. Dabei wird nicht vorgemacht oder korrigiert, sondern durch geleitete Entdeckung unterstützt – der/die Klient:in findet den Lösungsweg möglichst selbstständig.
  4. Generalisierung und Transfer:
    Die erarbeiteten Strategien werden auf weitere Alltagssituationen übertragen. Das fördert nachhaltiges Lernen und erhöht die Selbstwirksamkeit – ein zentraler Baustein für Motivation und Selbstvertrauen.

Beispiele aus der Praxis

  • Tim möchte beim Fußball im Tor stehen, hat aber Schwierigkeiten, den Ball mit beiden Händen zu fangen.
  • Frau B. verliert beim Kochen mit ihrer ADHS-Symptomatik leicht den Überblick über die Arbeitsschritte.
  • Herr K. hat nach einem Schlaganfall Probleme beim Einkaufen und möchte wieder selbstständig seinen Alltag meistern.

All diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie erleben Einschränkungen, die sie daran hindern, aktiv und zufrieden an ihrem Alltag teilzunehmen. CO-OP hilft, diese Hürden zu überwinden.

Wissenschaftlich fundiert und empfohlen

Der CO-OP-Ansatz ist in den Versorgungsleitlinien zur Therapie bei UEMF als signifikant wirksam eingestuft (AWMF, 2020). Er wird international empfohlen und weiterentwickelt (Polatajko et al., 2017; AOTA, 2020) und gehört heute zu den etablierten handlungsorientierten Therapieansätzen in der Ergotherapie.

Schlüsselmerkmale des CO-OP-Ansatzes

  • Klient:innenzentrierte Zielsetzung
  • Handlungsorientierung
  • Dynamische Performanzanalyse
  • Kognitive Strategienutzung
  • Geleitete Entdeckung
  • Unterstützende Bezugspersonen
  • Strukturierter Therapieaufbau

Referenzen

American Occupational Therapy Association. (2020). Evidence-based practice guidelines. AOTA Press.
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). (2020). S3-Leitlinie: Umschriebene Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen (UEMF) (AWMF-Registernr. 022-017). https://register.awmf.org/assets/guidelines/022-017l_S3_Umschriebene-Entwicklungsstoerungen-motorischer-Funktionen-UEMF_2020-08_01.pdf
Florek Clark, G., & Chandler, B. (2014). Best practices for occupational therapy in schools. AOTA Press.
ICANCOOP. (n. d.). The CO-OP approach. https://www.icancoop.org/pages/the-co-op-approach-1
Novak, I., & Honan, I. (2019). Effectiveness of paediatric occupational therapy for children with disabilities: A systematic review. Australian Occupational Therapy Journal, 66(3), 258–273. https://doi.org/10.1111/1440-1630.12573
Polatajko, H. J., & Mandich, A. (2004). Enabling occupation in children: The Cognitive Orientation to daily Occupational Performance (CO-OP) approach. CAOT Publications ACE.
Polatajko, H. J., & Mandich, A. (2008). Cognitive Orientation to daily Occupational Performance (CO-OP): Approach for children with neurodevelopmental disorders (2nd ed.). CO-OP Academy.
Polatajko, H. J., Mandich, A. D., Miller, L. T., & Macnab, J. J. (2017). Cognitive Orientation to daily Occupational Performance (CO-OP): Part I—Theoretical foundations. Physical & Occupational Therapy in Pediatrics, 37(2), 102–115. https://doi.org/10.3109/01942638.2016.1150973
Rainer, E., Volkert, A., & Grosse, M. (2019). Der Einsatz des CO-OP-Ansatzes bei Kindern mit Entwicklungsstörungen: Eine Überblicksarbeit. Ergotherapie und Rehabilitation, 58(5), 22–27.
Scammell, E. M., Bates, S. V., Houldin, A., & Polatajko, H. J. (2016). The Cognitive Orientation to daily Occupational Performance (CO-OP): A scoping review. Canadian Journal of Occupational Therapy, 83(4), 216–225. https://doi.org/10.1177/0008417416651277
Skidmore, E. R., Holm, M. B., Whyte, E. M., Dew, M. A., Dawson, D. R., & Becker, J. T. (2017). The feasibility of meta-cognitive strategy training in acute inpatient stroke rehabilitation: A case report. Neuropsychological Rehabilitation, 27(1), 1–21. https://doi.org/10.1080/09602011.2015.1048931